Raketenunfall in Braunlage am 7.5.1964 Logout | Themen | Suche
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Modellraketen Forum » Scaleraketen und Raumfahrt » Raketenunfall in Braunlage am 7.5.1964 « Zurück Weiter »

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Harald Lutz
Senior Mitglied
Benutzername: Haraldl

Nummer des Beitrags: 275
Registriert: 12-2001
Veröffentlicht am Montag, 16. Juni 2003 - 17:33 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Am 7. Mai 1964 sollten im Rahmen der deutsch-französischen Partnerschaftsausstellung JUMELAGE PHILATELIQUE, die von der Briefmarkensammlervereinigung Hannover Nord e.V. und dem Verein Amicale Philatelique Roussillonaise Perpignan vom 9.5.1964 bis zum 10.5.1964 im Galeriegebäude in Hannover-Herrenhausen veranstaltet wurde, auf dem Braunlager Hasselkopf 10000 mit Sonderstempeln versehene Briefe mit 10 von Gerhard Zucker konstruierten und gebauten Postraketen befördert werden.
Doch es kam anders: schon der erste Start von Gerhard Zuckers Rakete am 7.5.1964 auf dem Hasselkopf misslang: die Rakete wackelte und stürzte zu früh ab.
Der zweite Start führte dann zur Katastrophe: 4 Meter über dem hölzernen Startgestell explodierte die Rakete und ein 40 Zentimeter langes Metallrohr des Treibsatzes wurde mit voller Wucht in die nur 35 Meter entfernte Zuschauermenge geschleudert. Dort wurden drei Personen verletzt. Einer der Verletzten, ein 14jähriger Schüler aus Edewechterdamm bei Cloppenburg erlag 11Tage später seinen Verletzungen. Auch der zweite der Verletzten starb später und der dritte, dessen Verletzungen nach dem Unfall nur als "leicht" bezeichnet wurden, verlor einen großen Teil seines Gehörs und trug Lähmungen davon.
Nach diesem Unfall ist die Veranstaltung am 7.5.1964 sofort beendet worden. Die 1500 Zuschauer verließen ruhig und nicht panikartig, wie damals die "Bild"-Zeitung schrieb, den Platz und das am Abend im Kurhaus angesetzte Festessen wurde abgeblasen.

Schuld war an diesem Unfall eindeutig Gerhard Zucker, dem auch 1965 wegen dieses Unfalls ein Prozeß wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung gemacht wurde, denn er hätte
- die Raketenstarts am 7.5.1964 nicht durchführen dürfen, da er nur bis zu 5kg schwere Raketen starten durfte, während die in Braunlage gestarteten Geräte 8,3 Kilogramm wogen
- für eine Absperrung im Umkreis von mindestens 400 Metern um die Startrampe zu sorgen (die Leute durften bis auf 30,25 Meter an die Abschussrampe heran)
- für den sicheren Zustand seiner Raketen zu sorgen. Die Treibsätze hätten nicht in den verwendeten Raketen verwendet werden dürfen, denn an den Treibsätzen haben einige Befestigungsschrauben gefehlt. Außerdem hätte er die Starts schon nach dem ersten Fehlstart abbrechen sollen

Auch wurde vom niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr kritisiert, dass Gerhard Zucker seine Raketenstarts in unmittelbarer Nähe zur damaligen Zonengrenze machte!

Eigentlich ist sehr auffallend, dass keiner dieser Verstöße im Vorfeld der Veranstaltung irgendwie von den Behörden entdeckt wurde! Sollte vielleicht ein Unfall provoziert werden?

Dieser Unfall hatte aber noch viel weitreichendere Konsequenzen: als am 7. Juni 1964 die "Herrmann-Oberth-Gesellschaft e.V." wieder im Wattengebiet von Cuxhaven, wie schon oft zuvor (http://www.modellraketenbau.de/countdown/cdo030301.htm ) Raketen starten wollte, wurden ihr dies plötzlich untersagt. Die "Herrmann-Oberth-Gesellschaft e.V." arbeitete nicht mit Gerhard Zucker zusammen und sie genoß sogar bei ihrer Versicherung ein sehr hohes Ansehen!
Interessanterweise waren ihr noch Versuche mit Flughöhen bis zu 100 Metern gestattet ( eine solche Maßnahme könnte aber auch nicht einen Unfall wie in Braunlage verhindern), aber für eine Gesellschaft, die Raketen bis in Höhen von 50km schoß, war dies natürlich nicht mehr interessant!
Vom niedersächsischen Verkehrsministerium hieß es damals, dass mit den Raketenversuchen im Cuxhavener Wattengebiet weitergemacht werden könnte, sobald neue Sicherheitsvorschriften ausgearbeitet worden sind. Doch dürfte dies, bei über 500 Raketenstarts im Cuxhavener Wattengebiet mit Gipfelhöhen von bis zu 140km, die in diesen Areal zwischen 1957 und 1964 ohne Zwischenfall durchgeführt wurden, bestimmt kein Ding der Unmöglichkeit gewesen sein! Vielmehr wurde wahrscheinlich die ganze Angelegenheit aus politischen Gründen (Protest der Sowjetunion nach einer Vorführung militärisch nutzbarer Raketen durch die "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH" im Dezember 1963) niemals bearbeitet!

Quellen: Harzer Tagblatt vom 24.4.1964, 8.5.1964 und 18.3.1965
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Oliver Missbach
Forum-Administrator
Benutzername: Oliver

Nummer des Beitrags: 3182
Registriert: 01-2000
Veröffentlicht am Dienstag, 17. Juni 2003 - 16:32 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Interessanter Bericht! Die 50er und 60er Jahre waren ja allgemein eine Zeit, in der viele "Basement Bomber" mit selbstgebauten Modellen und Motoren herumhantierten (was man heute "Experimentalraketen" nennt) und es zu vielen Unfällen kam.

Gerade um solche Vorfälle im nichtwissenschaftlichen Bereich (wozu auch Vorführungen vor Zuschauern zählen) zu verhindern, entstand der Gedanke des Modellraketenbaus: Fertig produzierte Motoren, leichtgewichtige Bauweise!

Ein gutes Beispiel, wie gut so etwas in dem von Dir angesprochenen Bereich (Briefmarkenausstellung) funktioniert, war der Raketenstart in Salzburg vor knapp 2 Wochen (siehe Themenbereich Veranstaltungen)! Auch bei den Garchinger Weltraumtagen, einer Briefmarkenausstellung bei München, hatte mein Verein, der MMV, früher (als der damalige Startplatz noch nicht bebaut war), Postraketen geflogen. Nach dem Sicherheitskodex gebaut und damit entsprechend sicher!
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Harald Lutz
Senior Mitglied
Benutzername: Haraldl

Nummer des Beitrags: 277
Registriert: 12-2001
Veröffentlicht am Dienstag, 17. Juni 2003 - 20:04 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Anmerkung:
Gerhard Zucker hat für die Raketen, die er am Unglückstag den 7.5.1964 gestartet hat, keine selbstgebauten Treibsätze verwendet, sondern welche die von einer entsprechenden Firma hergestellt wurden!
Allerdings in einer ungeeigneten Ausführung, was zur Explosion geführt haben dürfte.
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Oliver Missbach
Forum-Administrator
Benutzername: Oliver

Nummer des Beitrags: 3187
Registriert: 01-2000
Veröffentlicht am Dienstag, 17. Juni 2003 - 21:22 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Diese Treibsätze können aber kaum den heute üblichen Sicherheitsbestimmungen entsprochen haben, wenn sie z.B. ein "40 cm langes Metallrohr" enthalten haben?

Hast Du evtl. Daten zu den Motoren?
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Martin Muehlbauer
Moderator
Benutzername: Martinm

Nummer des Beitrags: 867
Registriert: 05-2002
Veröffentlicht am Mittwoch, 18. Juni 2003 - 00:52 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Ja, und was mich besonders interessiert: von welchem Hersteller stammen die Motoren?
#IMR-01002, #MMV-1805
www.superrocs.int.tc
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Harald Lutz
Senior Mitglied
Benutzername: Haraldl

Nummer des Beitrags: 294
Registriert: 12-2001
Veröffentlicht am Freitag, 22. August 2003 - 15:15 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

In den Artikeln ist die Rede von einer Firma in Bremerhaven
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Harald Lutz
Senior Mitglied
Benutzername: Haraldl

Nummer des Beitrags: 323
Registriert: 12-2001
Veröffentlicht am Freitag, 17. Oktober 2003 - 12:34 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß ich heute aus Briefmarkensammlerkreisen erfahren habe, daß die Deutsche Bundespost zu den Raketenvorführungen von Gerhard Zucker, bei denen dieser Unfall geschah, einen Sonderstempel aufgelegt hatte, den sie aber (warum weiß man nicht genau!) s c h o n v o r dem Unglück zurückgezogen hatte.

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