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Martin Muehlbauer
Moderator
Benutzername: Martinm

Nummer des Beitrags: 565
Registriert: 05-2002


Veröffentlicht am Montag, 21. April 2003 - 01:17 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Kwajalein - vielleicht hat der ein oder andere schonmal von diesem Atoll im Pazifischen Ozean gehört. Von Zeit zu Zeit - insbesondere während des Kalten Kriegs - tauchte der Name in der Presse auf. Die meisten Leute wissen dennoch nicht, was es mit der auf Kwajalein angesiedelten US-Raketentestbasis auf sich hat. Deshalb möchte ich in diesem Thread mal ein bißchen was zur "Raketeninsel" Kwajalein erzählen. Der erste Teil befasst sich mit der Geschichte Kwajaleins.

(Bevor's losgeht noch ein paar Hinweise: Der Text ist aus Berichten deutscher und amerikanischer Journalisten zusammengesetzt und soll - auch anhand diverser Fotos - Einblick in die Raketentestbasis im Pazifik gewähren. Meine Quellen sind nicht mehr ganz neu, d.h. die aktuelleren Entwicklungen werden noch nicht erfasst, ein Text zur derzeitigen Situation auf Kwajalein ist jedoch schon in Arbeit... :-))


Als die US-amerikanische Navy während des Zweiten Weltkriegs Japan aus Mikronesien (nordwestlicher Teil des Pazifiks) vertrieb, machte sie Kwajalein, die südlichste und größte Insel des gleichnamigen Atolls, zu ihrem Stützpunkt. Zunächst diente die Basis als Sprungbrett nach Japan, dann - in den Nachkriegsjahren - als Kommandoposten für die Atom- und H-Bombentests und zusätzlich auch noch als Glied des Nachschubs während des Koreakriegs. 1947 hatten die Vereinigten Staaten ein UN-Mandat für fast ganz Mikronesien erhalten, daß es gestattete, die Inseln für militärische Zwecke zu nutzen.

Als die Kernwaffentests 1958 endeten, schien Kwajalein nutzlos geworden. Dann jedoch ließ das Pentagon eine milliardenteure Basis installieren und machte das Atoll zu einem Raketen-Testgelände. Bis 1964 wurden alle Inseln des mittleren Lagunenabschnitts geräumt. Die Leute, die dort lebten, mußten Platz machen. - Die USA nahmen insgesamt elf Inseln in Beschlag!

Zuerst nannte man das Gebiet Kwajalein Test Site, dann Kwajalein Missile Range. Seitdem sind die Inseln Augen und Ohren der USA, Wach- und Meßposten, Zielscheibe, Abschußplätze. Sie werden von allen Truppenteilen benutzt, seit 1982 auch von SPACECOM, dem Luftwaffenkommando für Weltraum-Aktivitäten. Auf Kwajalein hüten die USA einen Augapfel ihres ballistischen und antiballistischen Versuchs- und Forschungsprogramms: den Platz, wo sie die Treffsicherheit von Raketenwaffen nach oben schrauben. "Praktisch jeden Schritt des nuklearen Overkills haben US-Waffenschmiede seitdem auf diesem Atoll erprobt", berichtet Mikronesien-Journalist Giff Johnson.

Interkontinentalraketen wurden und werden auf Kwajalein getestet: Atlas und Titan, Nike-Zeus, Nike-X, Hercules, Spartan und Sprint, Minuteman, Trident, die MGM-118 und die Midgetman.

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Die vom Luftwaffen-Stützpunkt Vandenberg in Kalifornien abgefeuerten Raketen fallen in die sorgfältig überwachte Lagune und die See unweit Kwajalein. Im Laguneninneren befinden sich Schallgeräte, die die Einschlagstellen von Flugkörpern lokalisieren. Überall auf Kwajalein und einem Dutzend anderer Inseln stehen silbern glänzende Kuppeldachtürme herum, die wichtige Funktionen erfüllen: Es sind Observatorien, die Raketen und Weltraumobjekte beobachten.

Kwajalein ist dabei, wenn es darum geht, nachzurüsten und zu modernisieren. Die Insel ist bestens geeignet, um fernab jeder öffentlicher Kontrolle zu testen. Die USA führen auch Raketenabwehrtests, Versuche mit Satellitenkillern und neuen Anti-Raketenwaffen seit vielen Jahren von Kwajalein aus durch. Auf dem Kwajalein-Inselchen Meck stehen Startgerüste und Abschußrampen für Abfangraketen, die angreifende Raketen aufspüren und am Himmel vernichten. 1963 schon schossen die USA von Meck aus - erstmals überhaupt - einen ausgedienten US-Satelliten des Typs AGENA durch eine Zeus-Rakete ab. Raketen, auf Meck gestartet, fingen andere Testraketen ab. Doch diese frühen Anti-Raketen waren noch ungenau.

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Nach dem Weltall-Abkommen von 1967 beschränkten die USA und die Sowjetunion dann 1972 durch das ABM-Abkommen Tests und Einsatz von antiballistischen Waffen. Doch auch das ABM-Abkommen ließ Lücken, etwa die Möglichkeit, feste landgestützte ABM-Waffen zu erforschen. Und dieses Schlupfloch nutzten die US-Spezialisten auf Kwajalein, die unverdrossen an neuen Raketenabwehrsystemen herumtesteten. Was auf Kwajalein wortkarg geschah, bewegte sich am Rand des ABM-Abkommens und mit SDI wohl auch jenseits davon...



So, dies war der erste Teil der Kwajalein-Reportage :-). Hoffentlich wars interessant!
Im nächsten Teil wird dann von einem Raketentest auf Kwajalein berichtet...

(Beitrag nachträglich am 21., April. 2003 von martinm editiert)
#IMR-01002, #MMV-1805
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Martin Muehlbauer
Moderator
Benutzername: Martinm

Nummer des Beitrags: 575
Registriert: 05-2002


Veröffentlicht am Montag, 21. April 2003 - 18:16 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

...jup, und weils heute so flüssig von der Hand ging, kommt jetzt gleich Teil 2. Es geht hierbei um einen bzw. den ersten SDI-Test im jahr 1984... Aber da ich vorher nicht zuviel verraten will, kommt nun gleich der Text :


Countdown auf Meck

Pfingstsonntag 1984, 8000 km Distanz, Reisezeit 30 Minuten: Vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg (Kalifornien) steigt eine Minuteman-Rakete auf. Während das Geschoß noch durch den Weltraum rast, entdecken die Radarinstrumente erste Impulse: Bis das attrappenbestückte Wiedereintrittsvehikel in die erdnahe Sphäre eintauchen kann, bleibt noch ausreichend Zeit. Etwa 2300 Meilen entfernt, noch auf Höhe Hawaii, kommt die anfliegende 'Nutzlast' für Kwajalein in Sicht. Es erscheint als ein kaum erkennbares Pünktchen auf dem TPX-42, dem FPQ-19 und mehreren TPQ-18, transportablen Radarschirmen, die extrem weit reichen. Nun bereits werden die Zielkoordinaten markiert.

Auf Roi-Namur, im Norden des Atolls, überwacht man im Kontrollzentrum alles. Die Kiernan Reentry Measurments Site (Krems), die die Spezial-Radars Alcor, Altair, Tradex, MMS und MMVV und weiter Antennen des High-Tech-Eilands koordiniert, spürt das Objekt auf. Wie ein Glühwürmchen tanzt es auf den Monitoren uns piepst. Bis es in den Ozean fällt, hat Krems auch seine letzten Geheimnisse enttarnt.

An diesem Morgen kommt es jedoch anders. Denn 20 Minuten nach dem kalifornischen Start startet auf dem Kwajalein-Inselchen Meck eine Minuteman-Testrakete, die nach kurzem, schubstarkem Flug ein 'intelligentes' Abfangsuchgerät akribisch auf eine Bahn nördlich Kwajalein setzt, die die Route ihres Ziels absichtlich um gut 30 km verfehlt. Dann setzt die Automatik des Suchgeräts ein. Es nähert sich, ohne Befehle vom Boden, acht Mini-Teleskopen folgend, außerhalb des Atmosphärenbereichs selbsttätig auf den Treffpunkt zu. Ein Lasergyroskop steuert mit Hilfe eines Bordcomputers die 56 ringsum angebrachten Lenkdüsen des nicht einmal wecktopfgroßen Zylinders höchst genau: So präzise, daß die eingebauten Sensoren den rotierenden Gefechtskopf zentimetergenau zu seinem Zielgebiet leiten. Es ist eine Sensation: Zum ersten Mal prallen zwei Raketen, ohne Einflußnahme einer Bodenstation, gut 100 Meilen im äußeren Raum frontal zusammen. Es ist ein Ereignis, von dem es eines Tages heißen mag, daß damit das milliardenschwere SDI tatsächlich begann...

Das Abfangprojektil öffnet ein Metallnetz, dessen Speichen sich in einem Radius von fast zweieinhalb Metern entfalten. Wie bei einem Karussell drehen sich an einem Regenschirm-ähnlichen Alugestänge Stahlgewichte nach außen. Als die Geschosse sich berührten, umfängt das Netz den Übungsgefechtskopf und zerschmettert ihn. Auf den Monitoren am Boden löst sich der kinetische Crash in Pulverstaub auf... Kameras auf Inseln des Kwajalein-Atolls halten das Geschehen auf Video-Anlagen für die Nachwelt fest. Das SDI-Management zeigt sich euphorisch. Solche Triumphe braucht man: Um neues Geld für Weltraumwaffen flüssig zu machen.

So testen die USA im publizitätsfernen Kwajalein auf Herz und Nieren, was in Raketensilos, auf Abschußrampen und ins SDI-Arsenal gelangt. Alle Weichen sind gestellt: Die Marshall-Inseln (der Staat, zu dem Kwajalein gehört) haben de facto einen neuen politischen Status bekommen. Und so wurde Kwajalein, dessen Lagune 839 Quadratmeilen umschließt, auf viele Jahrzehnte (!) an die USA verliehen.



Tja, das wars mal wieder. Aber Teil 3 kommt bestimmt! Hierin werde ich auf das SDI Programm eingehen...

Bis dann!
Martin
#IMR-01002, #MMV-1805

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