Die Raketenvorführung am 5.12.1963 Logout | Themen | Suche
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Harald Lutz
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Benutzername: Haraldl

Nummer des Beitrags: 293
Registriert: 12-2001
Veröffentlicht am Donnerstag, 21. August 2003 - 15:11 Uhr:   Beitrag editieren Beitrag löschen Schnellansicht Beitrag drucken    Beitrag verschieben (Nur für Moderatoren)

Am 5.12.1963 startete die Waffen- und Luftrüstungs AG vier Raketen vor Vertretern der Presse und zahlreicher geladener Ehrengäste im Wattengebiet von Cuxhaven.
Obwohl die Waffen- und Luftrüstungs AG zahlreiche Vertreter ausländischer Botschaften, die Mitglieder der Bundesregierung, zahlreiche Techniker und Wissenschaftler sowie Militärs zu dieser Veranstaltung einlud, blieben die meisten Gäste fern, denn die Bundesregierung hatte in einer Agenturmeldung zwei Tage zuvor die Versuche als "uninteressant" bezeichnet.
Zu den Ehrengästen, die erschienen gehörten u.a. der jordanischen Militärattache Ibrahim Othman und der saudiarabischen Brigadegeneral Al Harthi.
Vertreter der Bundesregierung waren nicht anwesend, allerdings wurde diese Veranstaltung von Vertretern der deutschen und ausländischen Presse sowie des deutschen und des englischen Fernsehens mit großem Interesse verfolgt.
Die Waffen- und Luftrüstungs AG wurde Ende 1962 von mehreren mittelgroßen deutschen Firmen der Luftfahrtzubehör und Waffenindustrie gegründet worden. Sie befasste sich nicht nur mit Raketen, auch ein neuartiges Schnellboot mit selbstschließender Außenhaut, von der diese Raketen abgefeuert werden sollten, stand auf ihrem Entwicklungsprogramm.
Die am 5.12.1963 gestarteten Raketen wurden von der Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH im Auftrag der oben genannten Gesellschaft entwickelt.
Es handelte sich um einstufige Feststoffraketen mit einer Gipfelhöhe von 60 Kilometern mit einer Nutzlast von 4,5kg und um zweistufige Feststoffraketen mit einem Nutzlastvermögen von 15kg bei einer Gipfelhöhen von 160 Kilometern.
Sowohl die einstufige als auch die zweistufige Rakete waren während des Fluges lenkbar. Die Zweistufenrakete besaß eine ungewöhnlich hohe Brennschlussgeschwindigkeit von 4800m/s, das ist mehr als das dreifache der Brennschlussgeschwindigkeit der A4!
Auf alle Fälle wäre sie eine gute meteorologische Rakete geworden, zumal sie wegen ihres relativ geringen Preises (1200 Mark, Preisbasis von 1963) auch für kleinere Institute sicherlich erschwinglich gewesen wäre!
Interessanterweise wurden die vorgeführten Raketen von Vertretern der Waffen- und Luftrüstungs AG sogar als "wissenschaftliche Flugkörper" bezeichnet, obwohl diese Gesellschaft mit Sicherheit eher militärisches Klientel im Kopfe hatte, als zivile Forschungsinstitute!
Bei dieser Vorführung konnten die vier gestarteten Raketen (es wurde eine der oben erwähnten Zweistufenraketen und eine Einstufenrakete gestartet) nicht ihre volle Leistungsfähigkeit zeigen, da vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr für diesen Zweck nur Flughöhen bis maximal 30 Kilometer gestattet wurden, so dass alle Starts mit verminderter Treibladung erfolgen mussten.
Während die einstufigen Raketen Höhen von 6 bis 18 Kilometer erreichten, stieß die zweistufige Rakete in eine Höhe von 25 Kilometern vor. Alle vier Raketen gingen nach vollbrachten Flug an einem Fallschirm nieder und wurden per Hubschrauber geborgen!

Obwohl bei dieser Veranstaltung kein alliiertes Recht verletzt wurde (dies wäre der Fall gewesen, wenn man die maximale Flughöhe gestattet hätte), muß es darauf hin zu Protesten der Sowjetunion gekommen sein, denn das Know-How zum Bau weiterreichender Raketen war bei der "Berthold-Seliger-Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH" vorhanden und wurde schon mehrfach in Form ziviler Raketenexperimente (wie den Start einer Dreistufenrakete am 2.5.1963 mit einer Gipfelhöhe von 110 Kilometern) demonstriert.
Und bedingt durch diese Raketenvorführung wurde auch klar, wie nahe doch zivile und militärische Raketentechnik beieinander liegen und das ein Konstrukteur, der noch vor einen halben Jahr jede militärische Aspekte seiner Arbeit abstritt, schneller mit den zahlungskräftigen Militärvertretern zusammenarbeitet, als man denkt!

Wer die Ausführungen auf http://www.modellraketenbau.de/countdown/cdo030301.htm genau durchliest wird feststellen, daß es durchaus Paralellen zwischen der Raketenvorführung der Waffen- und Luftrüstungs AG und der Operation "Backfire" im Oktober 1945 gab!
(Übrigens durften den letzten Start der Operation "Backfire" einige Vertreter der russischen Delegation nur von außerhalb des Versuchsgeländes verfolgen...)

Literatur: Zeitungsartikel aus der Cuxhavener Zeitung vom 6.12.1963


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